Die Verpflichtung, dem Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen, ist für alle Arbeitnehmer einheitlich im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Die Mitteilung muss unverzüglich erfolgen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich nun mit einem Fall befasst, bei dem der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Am Tag der Kündigung wird der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krankgeschrieben und zwar genau so lange, wie dies die Dauer der Kündigungsfrist umfasste. Wie liegt der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einem solchen Fall?
Zunächst ist der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch deshalb von Interesse, weil der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlung für einen bestimmten Zeitraum erhält. Das heißt, der Arbeitgeber zahlt während der Krankheit den vollen Arbeitslohn, ohne eine Gegenleistung vom Arbeitnehmer zu erhalten. In der Regel reicht zum Nachweis die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Sie hat den Beweis des ersten Anscheins für die inhaltliche Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeit für sich.
Der Beweiswert einer vom Arbeitnehmer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist aber erschüttert, wenn der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, die zu ernsthaften Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung und damit an der Erkrankung des Arbeitnehmers Anlass geben. Schon bisher hat die Rechtsprechung einen erschütterten Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angenommen, wenn eine rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (mit einer Rückwirkung von neun Tagen) vorgelegt worden ist. Hat ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit "angekündigt", ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls erschüttert. Außerdem dann, wenn sich der Arbeitnehmer genesungswidrig verhält und während der Arbeitsunfähigkeit z. B. körperlich beanspruchende Freizeittätigkeiten, beschwerliche Reisen oder Bauarbeiten durchführt.
Im oben dargestellten Fall hat die vom Arbeitnehmer behauptete Arbeitsunfähigkeit zunächst mit einer entsprechenden Bescheinigung nachgewiesen werden können. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist aber vom Arbeitgeber erschüttert worden, da er tatsächliche Umstände dargelegt und gegebenenfalls bewiesen hat, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gegeben haben. Der Beweis kann durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Außerdem bestand ein so enger Zusammenhang zwischen der Kündigung des Arbeitnehmers und der Arbeitsunfähigkeit, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasste, so dass das Bundesarbeitsgericht von einer Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgegangen ist. (vgl. Pressemitteilung BAG vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21).