Wird ein Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Für den Arbeitnehmer, der eine Kündigung erhalten hat, stellt sich jedoch die Frage, ob die Gewichtung seines Lebensalters auch zu seinen Lasten berücksichtigt werden kann.
Die soziale Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers nimmt zunächst mit steigendem Lebensalter zu. Typischerweise haben ältere Arbeitnehmer nach wie vor schlechtere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings fällt die soziale Schutzbedürftigkeit wieder ab, wenn der Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente wegen Alters (Ausnahme: Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß §§ 37, 236a SGB VI) verfügen kann. Das Auswahlkriterium "Lebensalter" kann dann auch zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. (vgl. Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.12.2022, 46/22 "Berücksichtigung der Rentennähe bei der sozialen Auswahl"). Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 KSchG lässt einen Wertungsspielraum zu. Zwischen den Kriterien des Lebensalters, der Betriebszugehörigkeit und den Unterhaltsverpflichtungen ist eine Abwägung durchzuführen und die Auswahlkriterien sind darzustellen. Mit Spannung wird die Urteilsbegründung erwartet.